In unserer Serie „Die Finanzexpertin“ lassen wir starke Frauen zu Wort kommen. Unsere Mission? Andere Frauen zu empowern und zu ermutigen, ihre berufliche und finanzielle Zukunft selbstbestimmt zu gestalten. Wir freuen uns sehr, dass wir Judith Klassmann-Laux für ein Interview gewinnen konnten. Als Geschäftsführerin der WFG (Wirtschaftsförderungsgesellschaft) Vulkaneifel mbH ist sie Ansprechpartnerin und Ratgeberin für alle Unternehmerinnen und Unternehmer im Landkreis Vulkaneifel und solche, die es werden wollen. Wir sprechen mit ihr über geschlechterspezifische Unterschiede in der Gründer- und Unternehmerszene, darüber, wie sie als Mutter den Spagat zwischen Beruf und Familie meistert und warum sie die Zukunftschancen für Frauen in Führungspositionen als hoch einschätzt.
Sie sind seit 2017 Geschäftsführerin der WFG Vulkaneifel mbH und Ihre Mission ist es, ExistenzgründerInnen und Unternehmen in der Region zu stärken und die Wirtschaft im Landkreis zu fördern. Was hat Sie an dieser Aufgabe besonders gereizt?
Nach meinem Studium der Diplom-Sozialwissenschaften habe ich beim Institut für Mittelstandsökonomie an der Universität Trier gearbeitet und u. a. Projekte zur Gründungsförderung von Frauen oder Beratungen „Frauen und Beruf“ durchgeführt. 2010 bin ich mit meinem damaligen Freund und heutigen Mann, Thomas Klassmann (Direktor Regionalmarkt Eifel), zusammengezogen und habe als Gründungsberaterin bei der WFG begonnen. 2012 wurde ich Prokuristin der WFG und bin seither Ansprechpartnerin für die bestehenden Unternehmen im Landkreis Vulkaneifel. Meine Motivation zur Übernahme der Geschäftsführung im Jahr 2017 war und ist es, gestalten zu können. Ich kann den Fokus gezielter setzen, zum Beispiel darauf, GründerInnen auch in der sensiblen Anfangsphase zu begleiten. Besonders hier erfahren junge UnternehmerInnen die größten Herausforderungen.
Erleben Sie in der Beratung Unterschiede zwischen Männern und Frauen? Wie ausgewogen ist der Anteil bei Führungsrollen und GründerInnen?
Ja, Gründerinnen gehen oft weniger Risiken ein, sind aber etwas besser vorbereitet. Die Gründung erfolgt hier meist im Nebenerwerb, was anfangs auch weniger Risiko bedeutet. Nicht selten erfolgt dann nach einigen Jahren der Umstieg in den Vollerwerb, dann, wenn sich das Unternehmen am Markt etabliert hat. Aus unserer Sicht ein gesundes Unternehmenswachstum. Bei den Unternehmen, die schon länger am Markt sind, stellen wir fest, dass zum Großteil immer noch mehr Männer in Führungspositionen tätig sind als Frauen. Je kleiner der Betrieb, desto mehr Frauen führen – bei den Gründerinnen ist das Verhältnis 50/50.
Nehmen Männer Sie in Ihrer Funktion als Geschäftsführerin in der Zusammenarbeit als Exotin wahr?
Unter Kollegen ist das oft noch so… Wirtschaftsförderung ist ein männlich-dominiertes Berufsfeld. Wenn ich z. B. als Geschäftsführerin der WFG am Forum der deutschen Wirtschaftsförderer teilnehme, sind maximal 20 Prozent der TeilnehmerInnen weiblich. Vor einigen Jahren war dieser Prozentsatz deutlich geringer. Das Bild verändert sich erfreulicherweise zunehmend. Ich habe gelernt, nicht alles persönlich zu nehmen oder entsprechend zu kontern, wenn es mal einen Spruch gibt. In der Zusammenarbeit mit unseren Kunden ist das anders. Ich bin 2015 auf einen Geschäftsführer gefolgt, der mehr als 30 Jahre die Geschicke der WFG gelenkt hat. Einen solchen Erfahrungsschatz holt man nicht von heute auf morgen auf. Und dabei spielt es keine Rolle, ob man nun eine Frau oder ein Mann ist. Hier galt es einfach zu beweisen, dass man auch mit neuen Impulsen Akzente setzen kann. Ich denke, das ist mir gelungen. Ich habe aber zu keinem Zeitpunkt erlebt, dass meine Fähigkeiten in Frage gestellt wurden, weil ich eine Frau bin – und dazu noch in Teilzeit arbeite.
Sie sind Mutter eines siebenjährigen Sohns. Wie meistern Sie den Spagat zwischen Familie und Karriere?
Ich habe meinen Wunsch nach einer Teilzeitstelle im Bewerbungsverfahren um die Stelle des Geschäftsführers offen kommuniziert. Ich habe eine 80-Prozent-Stelle mit 32 Stunden pro Woche. Dass es natürlich in den Erkältungsmonaten in der Kita und jetzt Schule auch mal hektisch im Alltag wird, ist nicht zu vermeiden. Da waren die Jahre 2020 und 2021 mit einer geschlossenen Kita oder Notbetreuung natürlich eine besondere Herausforderung für Familien. Wenn unser Sohn krank wird, wechseln mein Mann und ich uns in der Betreuung ab, je nachdem, wer welche Präsenztermine hat. Zudem haben wir viel Unterstützung von der Familie und es gibt großartige externe Betreuungsangebote in der Region. Meinem Mann und mir ist es wichtig, viele Absprachen zu treffen. Der Alltag ist dadurch gut organisiert und es fühlt sich auch gut an. Sollte es zeitlich mal nicht passen, greifen wir auf Tante, Oma und Opa oder einen unserer drei Babysitter zurück. Es gibt einfach immer mal wieder Abendtermine, die mein Mann und ich gleichermaßen in unserer jeweiligen Position wahrnehmen.
Was wünschen Sie sich für eine bessere Work-Life-Balance?
Grundsätzlich wird die WFG Vulkaneifel, wie auch die Unternehmen in der Region, das Thema Fachkräftesicherung begleiten und legt damit automatisch den Fokus auf Work-Life-Balance. Denn nur wer Work-Life-Balance als Anliegen seiner Fachkräfte begreift, ist langfristig wettbewerbsfähig. Beide Partner möchten arbeiten und suchen als Arbeitnehmer Lösungen bei ihren Arbeitgebern. Dies funktioniert nur im Dialog zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und wird am Ende einen positiven Beitrag für die Gesellschaft bringen.
Wie hat sich die Arbeits- und Familienwelt in den letzten Jahren gewandelt – sowohl für Frauen, Männer, UnternehmerInnen?
Frauen brechen eher Muster auf und überzeugen zuerst sich selbst – nach dem Motto „Ich schaffe das“ – und kombinieren Job, Familie und Haushalt. Männer beschäftigen sich (noch) weniger mit dieser Vereinbarung, erwägen seltener Teilzeitarbeit oder längere Elternzeit zu nehmen. Hier wird es in den kommenden Jahren wohl die größten Veränderungen geben. Frauen fordern beruflich mehr Anerkennung, Dialog und Förderung, aber auch Hilfe und Unterstützung, ein.
Angestellte oder Unternehmerinnen bleiben besonders nach dem ersten Kind nicht zu 100 Prozent zu Hause – dies ist heute finanziell für viele Familien auch nicht mehr möglich. Die Zukunft wird flexibler werden und bietet so auch mehr Chancen für Frauen als Unternehmerinnen oder in Führungspositionen.
Was wünschen Sie sich für Frauen im Beruf und insbesondere in Führungspositionen?
Ich hoffe, dass der gegenseitige Respekt und das wertschätzende Miteinander noch bewusster werden. Heutzutage stehen wir uns dort selbst manchmal im Weg. Gerade Frauen (und Mütter) sind gut darin, sich gegenseitig für ihr jeweils gewähltes Modell im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verurteilen. Für die junge Generation wünsche ich mir z. B. eine gesunde Resilienz und viel Gelassenheit im Umgang mit Leistungsdruck und Veränderungen.
Was sind Ihre Wünsche und Ziele für das nächste Jahr?
Dass wir alle gesund bleiben, nicht vergessen, Spaß zu haben und allgemein zufriedener werden.
Vielen Dank für das schöne Interview.
Das Interview führte Katrin Schildhorn, Nachhaltigkeitsmanagerin bei Volksbank RheinAhrEifel