Frau Mohrs, seit 2018 sind Sie Bürgermeisterin der Stadt Koblenz. Was gefällt Ihnen an dieser Position besonders gut?
Am allerbesten gefällt es mir, Dinge zu gestalten und dies in der eigenen Heimatstadt. Ich habe den Blick aufs Ganze und kann im eigenen Dezernat Themen voranbringen und umsetzen, also agieren, statt nur zu reagieren.
Ich bin gebürtige Koblenzerin (aus Rübenach) und viel unterwegs in Sportvereinen, gemeinnützigen Vereinen und bei den unterschiedlichsten Terminen. Dabei werde ich häufig darauf angesprochen, wo der Schuh drückt, das finde ich sehr positiv.
Koblenz ist durch den Zusammenfluss von Rhein und Mosel und die vielen Einzugsgebiete wie Westerwald, Hunsrück, Taunus und Eifel ein bedeutender Knotenpunkt in Rheinland-Pfalz. Was macht Koblenz für Sie so lebenswert und attraktiv?
Wir leben in einer Stadt an zwei Flüssen, durch die Mittelgebirge gibt es einen hohen Freizeitwert und spannenden Tourismus. Außerdem findet hier jeder das passende kulturelle Angebot und Koblenz ist zudem Sportstadt, was ebenfalls viele Menschen zu uns führt.
Was darüber hinaus die Region lebens- und besuchenswert macht, ist ihre Wirtschaftskraft: Besonders die Alt- und Innenstadt mit ihrer hohen Attraktivität und deren Infrastruktur des Einzelhandels. Wir haben gute Gewerbesteuereinnahmen und einen starken Öffentlichen Dienst und sind ein sehr bedeutender Bundeswehrstandort. Wir sind gleichzeitig Gesundheitsstandort mit drei großen Kliniken, mir persönlich gefällt auch der fast dörfliche Charakter in den einzelnen Stadtteilen mit Wochenmärkten wie z. B. in Ehrenbreitstein und dem ausgeprägten Vereinsleben in Sport und Kultur.
Was war der bislang schönste Moment als Bürgermeisterin oder gibt es ein Herzensprojekt?
Es ist hier kaum möglich, einen bestimmten Moment zu nennen. Aber eine Sache hat mich doch außerordentlich beschäftigt und gefreut: Die Fertigstellung des unteren Sanierungsbereiches des Freibades Oberwerth.
Schon ganz zu Anfang meiner Amtszeit gab es ein Leck und Wasser drohte in den Untergrund auszutreten, das Schwimmbad hätte geschlossen werden müssen. Wir haben sofort gehandelt und konnten sogar während der Sanierungsphase immer wieder Verbesserungen durchführen, bis das Problem letztlich vollständig behoben wurde und das Schwimmbad heute sogar noch schöner geworden ist als erwartet.
Besonders am Herzen liegen mir Begegnungen mit Menschen, insbesondere im Kinder- und Jugendbereich.
Sie haben nach dem Abitur ein Studium zur Diplom-Verwaltungswirtin absolviert und waren anschließend 30 Jahre in verschiedenen Positionen bei der Agentur für Arbeit beschäftigt, u.a. als Arbeitsberaterin, viele Jahre auch als Geschäftsführerin. Wie beurteilen Sie aus dieser Erfahrung heraus die Situation von Frauen am Arbeitsmarkt – vor welchen besonderen Herausforderungen stehen Frauen, wie hat sich das in letzten 30 Jahren verändert?
Ich sehe die Situation sehr ambivalent, beim Arbeitgeber Bundesagentur habe ich kein Ungleichgewicht erfahren, ganz im Gegenteil – hier waren es manchmal sogar eher mehr Frauen als Männer in der Geschäftsführung. Aber natürlich sind die Unterschiede je nach Branche und Betrieb größer, insbesondere bei der Entlohnung. Im Öffentlichen Dienst ist das nicht so, aber sonst sehe ich großen Handlungsbedarf.
Weitere grundlegende Eckpunkte sehe ich bei Frauen und der Familienphase. Dadurch fehlen Berufsjahre bzw. -erfahrungen, die sich auf die Bezahlung auswirken. Dieses Ungleichgewicht sollte ebenfalls thematisiert werden. Als Gesellschaft berauben wir uns Chancen, denn Frauen gehen die Dinge anders an und meiner Ansicht nach ist ein Betrieb nur gut aufgestellt, wenn er die positiven Eigenschaften bzw. Fähigkeiten beider Geschlechter verzahnt.
Einen besonderen Faktor halte ich jedoch für sehr unterschätzt: Empathie! Sie ist überaus wichtig in der Führung und absolut notwendig, dies ist aus meiner Sicht eine große Stärke von uns Frauen.
Welche persönlichen Stärken haben Ihnen bei der Ausführung Ihrer Rollen als Geschäftsführerin und als Bürgermeisterin bis heute geholfen?
Für mich ganz essenziell sind hier Empathie und meine Fähigkeit zum lösungsorientierten Denken auch über klassische Grenzen hinweg. Dies kennen und schätzen meine KollegInnen auch sehr und insgeheim wissen sie, von mir kommt auch mal der ein oder andere konstruktive Kritikpunkt.
Ich halte aufmerksames Zuhören ebenfalls für einen sehr relevanten Faktor. Dabei bin ich immer bereit, mich mit guten Argumenten überzeugen zu lassen. Aber da, wo es nötig ist, zeige ich auch die ausreichende Entscheidungsstärke. Grundsätzlich wird mutiger Entscheidungswillen oft unterschätzt, dabei gibt es selten „falsche Entscheidungen“, schlimmer ist es, gar keine zu treffen.
Daneben sehe ich auch ein gesundes Verhältnis zum Bauchgefühl als die Summe der Erfahrungen, die man im Leben gesammelt hat, als guten Ratgeber.
Ich bin damals für die Position als Bürgermeisterin weitestgehend aufgrund meiner Fachlichkeit und meines Engagements im Sozial- und Jugendbereich angesprochen worden, worüber ich mich sehr gefreut habe.
Was wünschen Sie sich für Frauen in Führungspositionen und für die junge Generation in der Region? Was hätte Ihnen in den letzten Jahren geholfen beim Erreichen der beruflichen Ziele?
Wie schon erwähnt, habe ich in meiner Zeit bei der Bundesagentur niemals Hemmschwellen als Frau erfahren. Aber was ich mir wünsche, ist mehr Offenheit für die Leistung von Frauen und dass sie ihren Weg gehen können, deshalb ist es umso bedeutsamer, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern.
Meiner Meinung nach sollten hier bessere Strukturen geschaffen werden, sowohl in der Kinderbetreuung wie aber auch in der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger und beides muss häufig (gleichzeitig) geleistet und dabei unbedingt gleichberechtigt verteilt werden - zwischen Mann und Frau bzw. den Partnern!
Wie wichtig ist Ihnen Work-Life-Balance und wo sehen Sie hier Herausforderungen speziell für Frauen?
Ohne Kraftquellen, besonders im Privaten, geht es nicht. Ich persönlich brauche einen gesunden Ausgleich, das kann gerne ausreichend Erholung an der frischen Luft sein.
Manche schöpfen Energie aus ihrer Arbeit und auch bei meinem Job, der deutlich mehr als 40 Stunden die Woche umfasst und gerne auch Abendveranstaltungen beinhaltet, ist das so. Aber andere Menschen benötigen mehr Balance im Privatleben und möchten weniger arbeiten, was völlig in Ordnung ist. Hauptsache, man kümmert sich um sich selbst und tut sich selbst Gutes (und schläft ausreichend - lacht).
Wenn Sie auf Ihren bisherigen beruflichen Werdegang zurückblicken – gibt es Dinge, die Sie mit dem Wissen von heute anders machen würden/Entscheidungen, die Sie anders treffen würden?
Im Nachhinein sind wir wohl alle schlauer. Wichtig ist, aus der Vergangenheit zu lernen, aber von einem Bereuen einzelner Entscheidungen halte ich persönlich nichts.
Am Beispiel Pandemie: Heute wissen wir alle mehr als vor drei Jahren, aber damals mussten zu einem bestimmten Zeitpunkt, mit einem bestimmten Wissen, Entscheidungen getroffen werden…
2018 bin ich Bürgermeisterin geworden und 2019 war ein relativ normales erstes Jahr, aber schon im Dezember 2019 gab es erste Gespräche mit Andeutungen zu Corona. Wir haben dann sehr schnell die erste Fieberambulanz in Rheinland-Pfalz aufgebaut, dies ging nur in enger Abstimmung mit dem Verwaltungsstab. Rasch haben wir gemerkt, „die Krise braucht ein Gesicht“ und der Oberbürgermeister und ich haben Videos gedreht, um BürgerInnen zu informieren. Dies war alles neu für uns.
2021 hatten wir dann die Ahrflut. Hier haben die Mitarbeitenden unserer integrierten Leitstelle in Koblenz enormes geleistet. Auch dies war eine besondere Herausforderung.
Ich habe bei diesen Ereignissen sehr viel gelernt, ich wachse mit den Aufgaben.
Dies kostet natürlich viel Energie, eins ist mir bei all dem klar geworden: Gemeinsam können wir mehr erreichen.
Durch die letzten Jahre ist mir umso deutlicher geworden, wir müssen besser mit dem Wandel leben und Change Management als fortlaufenden Prozess verstehen.
Sie haben auch viele Ehrenämter inne, sind z. B. stellvertretende Vorsitzende des DRK-Kreisverbandes Koblenz und stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums der Hochschule Koblenz. Außerdem leiten Sie unter anderem die Fachbereiche Sicherheit, Ordnung und Katastrophenschutz. Woraus schöpfen Sie die Energie für diese herausfordernden Aufgaben?
Meine zwei bedeutendsten Kraftquellen sind die Familie und mein Glaube. Ich lebe im großen Familienverbund in einer Hofgemeinschaft mit drei Häusern, dies gibt mir ganz viel Stärke. Außerdem bin ich praktizierende Christin.
Welche Begegnungen bzw. Erfolge, welche Herausforderungen bleiben Ihnen als Bürgermeisterin heute in Erinnerung?
Ich pflege einen sehr engen Kontakt zum Kinderhospiz. Im Jahre 2022 wurde der Kinderhospiztag vorm Schloss mit vielen Schulklassen veranstaltet. Dieser Tag ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Ein weiterer schöner Moment war für mich die Ausrichtung der Special Olympics Landesspiele im Sommer 2022 – hier zeigte sich die Begeisterung der Menschen und dass Koblenz durch und durch Sportstadt ist. Darüber hinaus bin ich natürlich in den unterschiedlichsten Vereinen von Sport, Karneval etc. unterwegs. Was ich dabei persönlich sehr schätze ist, wenn Menschen mich dort oder z. B. in der Innenstadt ansprechen und man in den Dialog kommt. Ich mag den unmittelbaren Kontakt mit den BürgerInnen unserer wunderschönen Stadt.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft im Berufsleben von Frauen?
Grundsätzlich wünsche ich mir mehr Selbstverständlichkeit. In zehn Jahren führen wir hoffentlich auch solche Interviews, aber dann mit anderen Schwerpunkten. Dafür benötigen wir gleiche Bezahlung, bessere Aufteilung der Familienarbeit und intelligente Teilzeitmodelle.
Was jedoch bei Ihrer Frage nicht vergessen werden sollte: Frauen mit guter Schulbildung sind nicht immer der Maßstab, eine Förderung sollte durch alle Schichten gehen, nicht nur für die gut ausgebildete Mittelschicht und die möglichen Führungspositionen oder deren Kandidatinnen, sondern auch für Frauen, die vielleicht eine ganz andere Hilfe benötigen – sowohl finanzielle als auch strukturelle. Ich halte grundsätzlich viel davon, die Stärken der Menschen zusammenzubringen, das ist viel effizienter als die Teile des Einzelnen.
Vielen Dank für Ihre spannenden Antworten und den offenen Austausch!
Das Interview führte Katrin Schildhorn, Nachhaltigkeitsmanagerin bei der Volksbank RheinAhrEifel eG